Interviews
Die Zukunft ist jetzt | von Barbara Musso
Das Studio Libeskind in New York befasst sich mit der Planung und Ausführung eines breiten Spektrums urbaner, kultureller und gewerblicher Projekte in der ganzen Welt.
Das Architekturbüro ist bekannt für seine emotionalen Designkonzepte: das Jüdische Museum in Berlin, der Masterplan für Ground Zero in New York oder das Militärhistorische Museum in Dresden, um nur einige zu nennen.
Stefan Blach, seit fast zwei Jahrzehnten Leiter des Architekturbüros, spricht über seine Vision von Architektur und Design.
Eine Idee, eine Skizze oder einen Traum in die Realität umzusetzen steht im Zentrum Ihrer Arbeit. Woher beziehen Sie die Inspiration für Ihre Projekte und wie gehen Sie bei der Planung vor?
Ich lasse mich vor allem vom Standort inspirieren, dem physischen Ort, aber auch von seinem Kontext, also der Stadt oder der Landschaft, von seiner Geschichte. Außerdem bekomme ich Impulse von den Beteiligten, dem Kunden, den Interessenvertretern oder den lokalen Gemeinschaften.
Die Architektur ist eine angewandte Kunst, sie ist öffentlich: Der Planer muss zwar einem Auftrag entsprechen, hat aber auch eine soziale Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft, die durch seine Planungsideen beeinflusst wird. Wie sehen Sie das?
Ich stimme dem voll und ganz zu. Die Architektur und insbesondere öffentliche Gebäude sind Teil des Alltags der Menschen, sie beeinflussen ihr Wohlbefinden und ihre Sicht auf die Welt. Es sind letzten Endes die Menschen, die Öffentlichkeit im Allgemeinen, für die man baut, und es sind nicht nur die Menschen von heute, sondern auch die zukünftigen Generationen.
Sie haben umfangreiche Erfahrungen mit Unternehmen und Menschen in Italien gesammelt. Welches sind die wichtigsten Aspekte dieser Erfahrungen?
Wir haben sehr viel in Italien gearbeitet und tun das immer noch. Bisher ist unsere Mitarbeit an den Projekten sehr erfolgreich verlaufen. In Italien haben wir ein hohes Qualitätsbewusstsein festgestellt sowohl in Bezug auf das Design, aber auch auf die Bauqualität, das sich auf eine reiche Design- und Handwerkstradition stützt.
Ausgehend von einem zweidimensionalen Werkstoff – der Keramikfliese – hat das Studio Libeskind ihr nicht nur eine dreidimensionale Form gegeben, sondern sie auch für extrem fluide architektonische Körper eingesetzt. Wie anregend finden Sie es, die Grenzen eines Werkstoffs zu erweitern?
Ein Werkstoff ist nie der Ausgangspunkt. Aber die Auswahl des Werkstoffes ist für jedes einzelne Projekt äußerst wichtig, da er letztlich den Charakter des Gebäudes bestimmt. Wir haben uns immer dafür interessiert, Werkstoffe in ungewöhnlicher Weise zu verwenden, beispielsweise Titanzink beim Jüdischen Museum in Berlin, schwarzes Robinienholz für das Mons Convention Center oder dreidimensionale keramische Fliesen für den Vanke Pavillon auf der Expo in Mailand.
Fractile ist eine Feinsteinzeugkollektion, die Libeskind für Casalgrande Padana entworfen hat. Dank einer einzigartigen hochmodernen Technologie hat sie antibakterielle, selbstreinigende Eigenschaften und kann Luftschadstoffe verringern. Welche Verantwortung haben Sie als Architekt in Bezug auf Umweltbelange und Nachhaltigkeit im Allgemeinen?
Gebäude sind weltweit die größten Energieverbraucher. Das bringt eine enorme Verantwortung für die Architekten mit sich, die bei der Gebäudeausrichtung, der Masse, bei Außenverkleidungen, Werkstoffen und Heiz- und Kühlsystemen die richtigen Entscheidungen treffen müssen. Das ist oft mit großen Herausforderungen verbunden, ist aber auch sehr interessant.
Wenn Sie heute kein Architekt wären, welchen Beruf hätten Sie?
Ich kann mir zu diesem Zeitpunkt in meinem Leben gar nicht vorstellen, kein Architekt zu sein. Es ist ein Beruf, der Elemente aus vielen anderen Berufen enthält: Künstler, Stadtplaner, Statiker, Bauleiter, Unternehmensberater, Analyst usw. Ich könnte mir höchstens einen dieser Berufe vorstellen, aber es ist doch besser, Architekt zu sein.
Besuchen Sie die Website von Studio Libeskind.
Mai 2019