Architekturen-Supermarkt | von Alessandra Coppa

Von der Erfahrung in den Esselunga-Supermärkten von Gardella ausgehend, wo der Supermarkt eine entscheidende Rolle als neuer Servicemittelpunkt für die Stadtviertel spielte, aktualisiert Carlo Alberto Maggiore die architektonische Erscheinung dieser Gewerbeflächen im neuen Flagshipstore der Supermärkte Migross in Bozzolo in der Provinz Mantua weiter.

 

Erzählen Sie uns von Ihrer Erfahrung mit den Projekten für Esselunga, angefangen mit Ihrer Zusammenarbeit mit Ignazio Gardella.

Ich habe Anfang der 90er Jahre begonnen, im Studio von Gardella zu arbeiten. Das war auch die Zeit, in der Ignazio von der Gesellschaft Esselunga beauftragt wurde, den gerade in Norditalien errichteten Supermärkten ein neues architektonisches Kleid zu geben. Große Gewerbegebäude waren damals unter den „gehobenen“ Architekten noch kein großes Thema.
Alles begann 1989 in Alessandria bei Gelegenheit eines Aufwertungsprojekts eines aufgelassenen Industriegebiets von Borsalino. Im Rahmen des Bauprogramms sollte neben Wohnungen und Büros auch ein Supermarkt errichtet werden. Gardella hat dies zum Anlass genommen, um das Bild des „Behälters“ zu aktualisieren, das bisher einer industriellen Verkleidung aus Aluminiumleisten mit einer Fassade mit solidem, ausgesprochen architektonischem Charakter anvertraut war. Er wollte ein unverputztes Mauerwerk darstellen und hat daher ein Muster aus Klinkerfliesen mit versetzten Fugen verwendet, das über den Eingängen von einem Streifen aus Stein aus Luserna zur Trennung der Stockwerke unterbrochen wurde. Dank der Wiederholung dieses Modells mit einfachen, kontrollierten Abänderungen konnte Esselunga in wenigen Jahren ihr Erscheinungsbild im Gebiet erneuern und die Erkennbarkeit der Marke stärken, gleichzeitig aber von Mal zu Mal unterschiedliche architektonische Merkmale einführen, die für bestimmte Kontexte gedacht waren. Die Kraft dieser Planungsstrategie hat ihre Effizienz vor allem in den Vorstädten gezeigt, wo diese Supermarkt-Architekturen sich als Servicezentrum für die jeweiligen Stadtviertel behaupten konnten. Wir sind den von Gardella eingeschlagenen Weg weitergegangen und hatten in den kommenden Jahren mit Fabio Nonis die Gelegenheit, die Grenzen des Projekts zu erweitern und uns nicht nur um das Gebäude zu kümmern, sondern auch die dazugehörigen Bereiche, die Gehbereiche und -wege, die Parkplätze im Freien und die Parkgaragen, die praktisch das Eingangsfoyer zum Gebäude darstellen und in ihrer Gesamtheit die Landschaft bilden, in die es sich einfügt. Effizienz, Barrierefreiheit, leichte Orientierung und visueller Komfort waren die Ziele, die wir verfolgt haben, als wird den funktionellen Hauptkern bereits in den Untergeschoßen mit großen Glaseingangskoffern, von natürlichem Licht beleuchteten mobilen Rampen, Lauben und möblierten Fußgängerzonen, gartenartig gestalteten Grünflächen und Parkplätzen mit Bäumen versehen haben. Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts haben wir an verschiedenen städtischen Umgestaltungsprojekten gearbeitet, in denen der Supermarkt eine zentrale Rolle in der Aktivierung des Systems der Räume, in denen man in Beziehung tritt, spielte.

 

Esselunga San Donato Esselunga San Donato

Esselunga in San Donato (MI), von Carlo Alberto Maggiore mit Fabio Nonis geplant. (Fotos: Stefano Topuntoli)

 

Wie hat sich im Lauf der Jahre die Typologie des Supermarkts bis heute geändert?

In den letzten Jahren ist eine Rückkehr zu den Nachbarschaftsmärkten zu bemerken. Der Handel ist in die Stadt zurückgekehrt und hat sich in besser organisierter Formen die Räume wieder angeeignet, die ihm ursprünglich zugewiesen waren (Märkte, Plätze, Geschäftsstraßen), hat sich schließlich flächendeckend erweitert und ist zu einer Ergänzung aller wichtigsten Knotenpunkte des städtischen Lebens geworden. Auch die Architektur hat sich weiterentwickelt und ist raffinierter geworden. Die alten häuslichen Kulissen, die diese Gebäude oft zu billigen Karikaturen der städtischen Räume machten, machen einem innovativen Design Platz, das darauf ausgerichtet ist, die Werte der Firma mitzuteilen und die ausgestellten Produkte theatralisch zu präsentieren. Die „Schachtel“ wird transparenter, die Beleuchtung wird wärmer und der Raum weist weniger Unterbrechungen auf. Die visuellen Barrieren werden beseitigt; die Arbeiten, die in den Abteilungen mit Bedienung stattfinden, die früher hinter Trennwänden verborgen waren, werden jetzt in den Vordergrund gestellt und anhand von großen Glaswänden in den Vordergrund gebracht, sodass sie ihren Beitrag zum Schauspiel leisten. Im Mittelpunkt steht die Innenausstattung. Einerseits hat die Technologie eine entscheidende Rolle übernommen, wenn es darum geht, die Kommunikation, die Multimedialität und Interaktivität zu unterstützen, andererseits begünstigen die neuen Formate das Verschmelzen zwischen den Verkaufsbereichen und den neuen ergänzenden Bereichen für die Gastronomie, das „Smart-Working“ und die Unterhaltung, die der Kundschaft einen immer bequemeren und somit längeren Aufenthalt ermöglichen.

 

Wie lief der Prozess zum Entwurf des neuen Flagshipstores der Supermärkte von Migross ab?

Vor zwei Jahren wurden wir von der Gesellschaft Migross S.p.A. aus Verona eingeladen, an einer Ausschreibung für die Planung eines Superstore-Prototypen teilzunehmen. Sie wollten den Look ihrer vor allem in Venetien und den östlichen Provinzen der Lombardei verbreiteten Filialen komplett erneuern. Die Herausforderung war spannend, weil sie sich im Gegensatz zu den vorigen Erfahrungen nicht nur darauf beschränkte, das äußere architektonische Bild des Gebäudes auszuarbeiten, sondern auch die Möglichkeit bestand, den Innenbereich zu gestalten und sogar teilweise die Organisation der Abteilungen zu überarbeiten, das heißt, ein Terrain zu betreten, das uns bisher nicht zugänglich war. Die Planung ging vom zentralen Kern des Gebäudes aus, dem Verkaufsbereich, in dem auch das kommerzielle Angebot mit der Einführung neuer spezialisierter Bereiche wie die der Arzneimittel, des Weins und des Tierbedarfs erneuert werden sollte. Das hat uns veranlasst, die Strecken nach perspektivischen Abfolgen zu organisieren, die darauf ausgerichtet sind, die prägendsten Abteilungen mit Bedienung wie Obst und Gemüse, Gastronomie, aber vor allem die Konditorei mit einem Handwerkslabor zur Geltung zu bringen. In den Kaufbereich gelangt man durch eine Galerie, die durch große pyramidenstumpfförmige Lichtschächte beleuchtet ist, in deren überhohem Raum Handwerkerläden, die der Kundschaft zu Dienst stehen, und das „Cafè & Bistrò“, ein neues Format der Firma für das Gastgewerbe, untergebracht sind.
Der neue Superstore wurde erstmals in Bozzolo in der Provinz Mantua umgesetzt. Es handelt sich um ein in verschiedenen Umgebungen wiederholbares und daran anpassbares Format. Die Fertigbaustruktur mit nur vier Säulen im Verkaufsbereich begünstigt die größtmögliche Freiheit bei der Gestaltung, dem Besuch und der visuellen Nutzung der Räume.

 

Supermercato Migross a Bozzolo (MN) Supermercato Migross a Bozzolo (MN)

Der Supermarkt Migross in Bozzolo (MN). Fotos: Giovanni Emilio Galanello

 

Haben Sie im Projekt der Außen- und Innenbereiche Keramikmaterialien verwendet?

Wir haben sowohl innen als auch außen am Kontrast zwischen verschiedenen, aber komplementären Materialien gearbeitet, und die Keramik spielt eine wichtige Rolle im Projekt. Das Volumen des Gebäudes ist optisch in zwei Teile unterteilt: Der Teil, in dem der Verkaufsbereich enthalten ist, ist außen mit einer hinterlüfteten Fassade aus großen vertikalen Platten aus einem Feinsteinzeug verkleidet, das die charakteristische Textur des Ceppo-Steins in seiner natürlichen Färbung nachahmt (Marazzi Serie Mystone mit Ceppo di Gré-Optik im Farbton Grey und im Format 75 x150). Es wurde auf einem Metalluntergestell mit versetzten Fugen verlegt, während der vordere Körper der Galerie und der WC-Anlage mit wabenförmigen Sonnenschutzprofilen aus Holzkunststoff-Verbundplatten verkleidet ist. Das Feinsteinzeug mit Ceppo-Optik wurde auch im Innenbereich verlegt, um dem großen Fußboden, der die verschiedenen Bereiche des Stores, der Galerie und des Bistros verbindet, die richtige Materialbeschaffenheit zu verleihen. In diesem Fall haben wir uns mit dem Kunden auf ein rektifiziertes Format 60 x 60 mit mechanischen Merkmalen, die in der Lage sind, die für die Einkaufswägen notwendige perfekte Beständigkeit und Ebenheit zu garantieren, geeinigt. Es sieht angenehm weich aus, die Farbe passt perfekt zu der des hellen Holzes. Um die Hintergründe der Backwarenabteilung und des Bistros zur Geltung zu bringen, haben wir eine Verkleidung aus Feinsteinzeug mit Tafeloptik im Großformat ebenfalls in der Serie Mystone von Marazzi verwendet, während die sichtbaren Wände der Abteilungen mit Bedienung mit versetzt verlegten glänzenden, weiß lackierten Fliesen im vertikalen Format 10 x 30 verkleidet sind.

 

Supermercato Migross a Bozzolo (MN) Supermercato Migross a Bozzolo (MN)

 

Ist es der koordinierten Grafik gelungen, das Projekt zu vermitteln?

Auf jeden Fall, es war uns sofort klar, dass in einen Erneuerungsprozess wie dem, den die Gesellschaft in Gang zu setzen beschlossen hat, verschiedene Berufsbilder einbezogen werden müssen, es war wichtig, dass das Projekt von Anfang an auf interdisziplinäre Weise angegangen werde. Es ging darum, die Firmenidentität, die mit der Zeit verloren gegangen war, wieder herzustellen. So haben wir eine Arbeitsgruppe mit dem Studio Lancellotti für die Grafik und mit Brand Angel Consulting für die Kommunikation auf die Beine gestellt. Gemeinsam haben wir über die Rückgewinnung der grundliegenden Werte dieses Familienbetriebs, der seit fast fünfzig Jahren in der Branche des Lebensmittelhandels tätig und gut im Gebiet verwurzelt ist, aber auch über den Bedarf, einige Angewohnheiten, die zu einer heterogenen und übertriebenen Kommunikation und einem gewissen Mangel an Ordnung bei der Verwendung des Raums geführt haben, nachgedacht.
Wir sind uns bewusst geworden, dass wir vor allem durch Subtrahieren vorgehen mussten, indem wir alles, was nicht unbedingt notwendig ist, beseitigen und wenigen klaren Elementen die Aufgabe überlassen, für Ordnung und Komfort in der Kommunikation ebenso wie in den tatsächlichen Räumlichkeiten zu sorgen, damit die Kunden sich leichter zwischen den Regalen bewegen können und den Mitarbeitern die Arbeit erleichtert wird. Konkret wurde das Rebranding-Projekt von Migross durch die Definition eines neues Payoffs, ein Restyling des Logos und die Überarbeitung aller wichtigen greifbaren und digitalen Touch Points der Marke umgesetzt. Die Beschilderung und das Corporate Design erhielten ein klares, minimalisches grafisches Design mit den für die Marke typischen Linien, das sich in die Architektur des Innenraums einfügt.

 

Biografie

Carlo Alberto Maggiore ist Architekt und Gastprofessor in architektonischer und städtischer Planung an der Schule für Architektur, Stadtplanung und Bauingenieurswesen (Scuola di Architettura, Urbanistica, Ingegneria delle Costruzioni) an der Mailänder technischen Hochschule „Politecnico di Milano“. Bis 1995 arbeitete er mit Ignazio Gardella, mit dem er sich zuerst im Verband (Nonis Maggiore Associati) und dann mit seinem eigenen Studio (CAM architetti) um die Planung und Errichtung von Gewerbe-, Wohn- und Dienstleistungsgebäuden, Schul- und Universitätsinstituten sowie die Sanierung von Gebäuden, Innenbereichen und öffentlichem Raum gekümmert hat. Er nahm an zahlreichen Planungswettbewerben teil, bei denen er etliche Preise und Anerkennungen einheimsen konnte. Seine Berufs- und Forschungstätigkeit konzentriert sich auf Themen der architektonischen und städtischen Regenerierung in verschiedenen Größenordnungen und auf die strategische Rolle der Planungspraxis als Instrument der Erneuerung. Er hat Monografien, Artikel und Essays zum modernen und zeitgenössischen architektonischen Projekt und zur Wiederverwendung städtischer Räume verfasst. Er hat verschiedene internationale Planungsworkshops koordiniert und daran teilgenommen und war Mitglied von Prüfungsausschüssen für die Vergabe von Planungsaufträgen und öffentlichen Bauarbeiten.

 

Oktober 2021