Hinterlüftete Fassaden: die Weiterentwicklung von Verankerungssystemen | von Thomas Foschini

Seit den Pionierlösungen zu Beginn der Neunziger Jahre hat sich die Verankerungs- und Verlegetechnik für hinterlüftete Fassaden aus Keramikmaterial grundlegend verändert und sich einerseits den Trends der modernen Architektur angepasst und andererseits Antworten auf die Problematiken der Verlegung im Zusammenhang mit Sicherheit, Langlebigkeit und – natürlich – Wirtschaftlichkeit gefunden.

 

Abmessungen und Stärken stellen große Herausforderungen

Neben der zunehmenden Formatgröße sind immer dünner werdende Platten eine wichtige technische Herausforderung für die Hersteller mechanischer Verankerungen, angefangen bei der höheren Schwierigkeit der Befestigung dünnerer Platten. Unter den neuen Gestaltungsoptionen, die neben klassischere Produkte wie sichtbare Clips oder Keil-Hinterschnittanker treten, gibt es wabenförmige Platten aus Aluminium, welche die Verankerung von Keramikplatten jeden Formats ermöglichen, auch bis 1,5 x 4,5 Meter und in Stärken von 3 bis 7-10 mm und mehr. Alternativ dazu erfolgt die Befestigung durch eine Verbindung aus einzurastenden Stahlfedern, die eine kontrastierende Wirkung haben. Diese Systeme haben sich als langfristig stabil erwiesen und bieten die Möglichkeit, die Fugen auf den Zehntelmillimeter genau auszurichten.

Das Problem der Stärken wird von den Herstellern auf unterschiedliche Weise gelöst. Es gibt Anbieter von Standardlösungen ab 3 mm aufwärts und Anbieter spezifischer Produkte für die Verlegung von hinterlüfteten Fassaden mit Standardplatten (10-14 mm) und dünnen Platten (bis 6 mm). Im letzteren Fall werden zwei unterschiedliche Befestigungssysteme angeboten: Für Standardplatten gibt es vorzugsweise sichtbare Befestigungen (mit auf die Fliesenfarbe abgestimmten thermolackierten „Greifern“) oder verdeckte Befestigungen (mit Stahleinsätzen in den Bohrungen auf der Plattenrückseite, an denen die Befestigungshaken aus Aluminium eingehängt werden können). Für größere und dünnere Platten werden Befestigungslösungen mit L-Profilen bevorzugt, die auf der Rückseite durch zertifizierte strukturelle Verklebung angebracht werden.


(Il Chiostro Residence, Milan. Keramikfliesen von Emilgroup)

 

Sicherheit und Langlebigkeit

Zentral ist das Thema Sicherheit, auch angesichts dramatischer Ereignisse wie der Brand des Grenfell Towers in London. Heute gewährleisten die wichtigsten Hersteller hochwertiger Verankerungssysteme für ihre Produkte die Brandklasse A2 [die erste Kategorie nach den nicht brennbaren Produkten, AdR]. Daneben stellt sich einige Jahre nach Fertigstellung der ersten Projekte immer vordringlicher das Problem der Langlebigkeit dieser Systeme und der Wirtschaftlichkeit bzw. Machbarkeit von Instandhaltungsmaßnahmen.

Zu den wichtigsten Faktoren, die für die schnelle „Delamination“ der Wand (das Ablösen der Platten) verantwortlich sind, gehören einige Arten von Klebern und Chemikalien, die sich zunehmend verbreitet haben, um die Kosten der Verankerung und Verlegung zu reduzieren, deren Festigkeit aber zeitlich begrenzt ist. Deshalb setzen einige Hersteller rein mechanische Verankerungssysteme ein, die bereits im Werk – also in kontrollierten und wiederholbaren Prozessen – vormontiert werden. Andere Hersteller verzichten zwar nicht auf den Gebrauch von chemischen Klebern, wenden aber vorzugsweise mechanische Systeme an, die an sich bereits die Verankerung der Platte gewährleisten (beispielsweise durch einen Hinterschnittanker, der durch eine 90°-Drehung des geformten Stehbolzens in eine spezielle eiförmige Fräsung im Inneren der Keramikplatte eingefügt wird), während die Konstruktionsklebstoffe hier lediglich die Aufgabe haben, die Dehnung zwischen Fliesen und Aluminium auszugleichen.


(Sitz von Progedil, Rome. Keramikfliesen von Marca Corona)

 

Hilfe für Fliesenleger

Sofern es sich um im Werk vorgefertigte Systeme handelt, kommen die Ankerplatten bereits vorbereitet und nach Maß zugeschnitten zur Baustelle und können auf der vormontierten Struktur angebracht werden. Die Keramikplatte ist mit Bohrungen auf der Rückseite vorbereitet und wird zusammen mit einem Montagebausatz geliefert. Im Grunde eine Art Ikea-Modell, damit Fehler und Probleme während der Verlegung weitestgehend vermieden werden können.

Zu den weiteren Optionen, die von den Unternehmen der Branche geprüft werden, gehört auch die Umgehung der Montagephase durch Lieferung regelrechter Pakete (Platte/Paneel sind bereits vormontiert und fertig für die Befestigung an der Metallstruktur), wodurch Arbeitszeiten, Kosten und Probleme auf der Baustelle weiter reduziert werden. So können Architekten und Designern schlüsselfertige Projekte angeboten werden, die hinsichtlich optischer Wirkung, Kosten und Zeiten vorab quantifizierbar sind.

 

(Nicht nur) Designtrends

Wie Branchenfachleute wissen, setzen die jüngsten Architekturtrends auf die „Fuge Null“ – gemeint sind damit Abstände von weniger als 5-7 Zehntelmillimetern zwischen den Platten. Es überrascht daher nicht, dass diesbezüglich nicht nur mögliche Fehler in der Bauphase vermieden, sondern auch die Verlegungskosten eingedämmt werden müssen, die – darin sind sich alle einig – einen zunehmenden Anteil der Projektkosten ausmachen.

Hinsichtlich der Langlebigkeit, Sicherheit und Instandhaltung wurden weitere Maßnahmen entwickelt, um die Anforderungen der Planer zu erfüllen. Dazu gehört beispielsweise das Einfügen von Unterteilungen innerhalb der Wand, um neben einer zu starken Belüftung (Brandrisiko) auch das Ansammeln von Wasser und Schmutz im Hinterlüftungsraum zu verhindern.

Zu den gefragtesten Eigenschaften gehört die Beständigkeit der Wandverkleidung gegenüber jeder Art von seismisch-atmosphärischem Extremereignis – daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die zertifizierte Beständigkeit gegenüber Druckwerten bis 450 Joule/qm anbieten zu können. Eine erste Lösung besteht in der Anbringung von beschichteten Glasfasern, die mit geeigneten Klebern auf der Plattenrückseite angebracht werden und verhindern, dass die Platten bei einem Bruch zersplittern. Zudem erhöhen sie die mechanische Festigkeit und damit die Langlebigkeit der Fassade.

Alternativ zu den Netzen wurde eine neue Generation von Befestigungen entwickelt (mechanische Befestigung in Verbindung mit Verklebung an Aluminiumführungen), die im Vergleich zu freien Keramikplatten, die mit Hinterschnittankern wie der von Keil befestigt sind, mehr Sicherheit bieten können. Es handelt sich um potenziell interessante Lösungen beispielsweise für Gebäude in Fußgängerzonen oder stark frequentierten städtischen Gebieten.


(Hotel Petronio, Riccione. Keramikfliesen von Refin. Photo: Eugenio Giovanardi)

 

Das Problem der Dämmung

Im Allgemeinen kommen viele der patentierten Lösungen nicht mehr ohne Vormontage im Werk und Montageanleitung aus. Aber das ist nicht alles. Zu den wichtigsten Herausforderungen der Hersteller gehört die Notwendigkeit, die Verlegung auch auf potenziell schwachen Unterkonstruktionen wie gedämmte Wände, Gebäudeverkleidungen oder Strukturen aus Leichtbeton (aber auch vollständig aus Holz oder OSB) effizient zu gestalten. Es sind Lösungen, die zur Energieeinsparung bei Gebäuden entwickelt wurden. Im Vergleich zum Mauerwerk besitzen sie jedoch eine geringere Festigkeit und haben sich als nicht für herkömmliche Befestigungselemente geeignet erwiesen.

 

Die europäische Zertifizierung

Dies ist eine der Forderungen der Anbieter von Verankerungssystemen aus dem mittleren bis oberen Marktsegment. Die Konformitätserklärung beschränkt sich bis heute auf die Ergebnisse eines Berechnungsberichts, es sollte aber – so der Wunsch – ein eigenes CE-Gütezeichen für die Installation und Verlegung von Fassaden geschaffen werden. Die Existenz eines europäischen Gütezeichens für das gesamte Wandsystem würde auch auf der Ebene der rechtlichen Verantwortlichkeiten einen großen Vorteil bieten – so erklären die Hersteller – da sich die Verantwortung für die Ausführung vom Verleger auf den Hersteller des Verankerungs-/Befestigungssystems verlagern würde.

Dies würde die Möglichkeit bieten, der aggressiven Konkurrenz durch Systeme mit direkter Verklebung auf dem Profil etwas entgegenzusetzen, denn solche Systeme sind zwar mit geringeren Kosten verbunden, können aber in Bezug auf Langlebigkeit und Instandhaltungskosten auf lange Sicht zu großen Problemen führen. Probleme, die in Wirklichkeit nicht die Kleber an sich betreffen – die zertifizierten Kleber der wichtigsten Hersteller bieten sogar eine Festigkeit bis 12 kg pro cm² – sondern die im Laufe der Zeit anfallende normale Instandhaltung eines Gebäudes, auch in Verbindung mit der Wartung der Anlagen (bei geklebten Platten könnte es bereits bei einer einfachen Inspektion erforderlich sein, Platten aufzubrechen und sie danach durch neue zu ersetzen). Planer seien also gewarnt, dass die Instandhaltung bei der Bewertung der verschiedenen im Handel erhältlichen Systemkonzepte in die Kosten-Nutzen-Analyse einbezogen werden muss.

Das Segment der hinterlüfteten Fassaden ist auf dem besten Wege, zu einer technisch ausgereiften Industrie zu werden. Die Herstellung wirtschaftlicher und gleichzeitig langlebiger Lösungen (insbesondere die Entwicklung mechanisch fixierter und geklebter Platten, die auch entfernbar sind) erweist sich als wichtigstes Wettbewerbsfeld der kommenden Jahre zwischen den Protagonisten einer Branche, die entscheidend zur Förderung von italienischer Keramik im In- und Ausland beiträgt.

 

März 2020